Etablierte Firmen – was können sie tun, um nicht auszusterben?

Kürzlich bin ich beim Schmökern in der „Harvard Business Review“ über einen interessanten Artikel gestolpert. Titel war „The Strategic Advantage of Incumbency“. In diesem gehen die Autoren Thomas W. Malnight und Ivy Buche der Frage nach „Ist ein langsamer Niedergang etablierter Unternehmen unvermeidlich?“ Um die Thematik zu untermauern, zeigen sie bereits eingangs die Grabstädten ehemaliger Industriegiganten auf – Kodak, Agfa, Pan Am, Saab sind nur ein Bruchteil derer. Mich hat der Beitrag fasziniert und zum Denken angeregt.

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Ein Perspektivwandel

Seit der Industrialisierung bis in die frühen 1990er hinein galt ein Unternehmen mit hohem Marktanteil, großem Mitarbeiterstamm und langer Marktbeständigkeit als quasi unkaputtbar. Größe war von Vorteil und wurde als positiv angesehen. Dann kam die disruptive Innovation. Und große Unternehmen verschwanden immer mehr vom Markt. Plötzlich wurde Größe zu einem Nachteil. Eine Jolle lässt sich leichter manövrieren als ein Tanker. Und anstatt seine Strategien anzupassen, verharrten die Großen in Schockstarre, sahen ihren Untergang quasi als unvermeidlich an und gingen in die Defensive … Schade!

Durch einen einfachen Perspektivwechsel lassen sich vermeintliche Nachteile in Vorteile übersetzen. Die Autoren nennen dies „strategische Etabliertheit“. Trotz Größe seine Fähigkeiten, Traditionen und das Know-How dynamisch nutzen. Geht nicht? Doch! Es gibt eine Liste der „Global 500“ also die besten 500 globalen Unternehmen. Aus dieser Liste haben die Autoren 38 Unternehmen identifiziert, die nach den 6 Kriterien der Autoren einen guten Job gemacht haben. Aber es gibt noch deutlich mehr Unternehmen aus der Liste von 1995, die 2020 noch am Markt und in der 500er Liste enthalten waren. Wie das geht? Durch aktives Handeln, statt passivem Ausharren.

Stelle seismographisch die richtigen Fragen und denke langfristig

Die großen erfolgreichen Unternehmen geben sich nicht damit zufrieden, den Status Quo als gegeben zu akzeptieren. Sie treffen keine Annahmen, sondern hinterfragen aktiv, was macht der Wettbewerb, was möchte meine Zielgruppe jetzt und wahrscheinlich morgen, wie verändert sich der Markt, auf welchen Kanälen treiben sich meine Kunden rum, damit ich sie dort ansprechen kann, sie sammeln Daten, um neue Insights zu bekommen usw. Hätten Unternehmen wie Kodak, Agfa oder Nokia zeitnah auf die disruptive Digitalisierung reagiert, seismographisch die Marktbewegungen aufgenommen und sich dynamisch angepasst – wer weiß, ob sie dann nicht noch heute unter den Lebenden wären.

Um lange groß am Markt bestehen zu bleiben, bedarf es der Fähigkeit, mit Komplexität umzugehen. Viele Start-ups scheitern, wenn sie größer werden und nicht in der Lage sind, nachhaltige Strukturen zu etablieren. Langfristiges Denken bietet für Mitarbeiter, Kunden und Stakeholder den Leitfaden, die strategische Vision. Kurzfristige Kennzahlen dienen lediglich dem Überblick, ob man sich langfristig auf dem richtigen Weg befindet.

Das große „Geheimnis“: Vertrauen

Etablierte Unternehmen haben den großen Vorteil, dass oftmals die Kunden in sie vertrauen. Besonders die Deutschen waren bekannt für Markentreue, die sie berechtigterweise in unser „Made in Germany“ setzen konnten: Miele, Volkswagen, Mercedes, Bosch, Siemens … die Liste ist lang. Bedauerlicherweise nehmen viele Unternehmen auch diesen Status Quo als gegeben und arbeiten nicht daran, das in sie gesetzte Vertrauen weiter aktiv zu stärken. Diesem Thema werde ich aber in Kürze einen eigenen Blog widmen, sonst habe ich keinen Platz mehr, für den wichtigsten Punkt in diesem Beitrag.

Warum es so oft schief läuft

Etablierte Unternehmen haben alle Möglichkeiten zur Verfügung, auch in Zukunft am Markt zu bestehen – das haben andere beispielhaft gezeigt. Aber woran hakt es, dass es die vielen anderen nicht schaffen?

  1. Es wird zu lange am Alten festgehalten – schließlich wurde viel investiert und bislang hat es ja auch geklappt … fragt sich, wie lange noch.
  2. Die Ausrede kommt schnell: so viel kann ich meinen Mitarbeitern nicht zutrauen, schon gar nicht gleichzeitig. Mein Tipp – fragen Sie Ihre Mitarbeiter. Das fördert gleichzeitig das „WIR“-Gefühl.
  3. Ein Change muss von oben nach unten vorgelebt werden. Wenn die Führung die Veränderungen nur halbherzig angeht, fliegt die Inszenierung auf und die Mitarbeiter ziehen nicht mit.
  4. Inkrementelle Produktverbesserung wird neuen dynamischen Prozessen und Geschäftsmodellen vorgezogen. Wenn dann noch Punkt 1 dazu kommt, steht alles still.
  5. Neue Ideen, neue Strukturen, neue Systeme – egal, was neu kommen soll, wird erstmal ausgelagert, damit das Alltagsgeschäft bloß nicht tangiert wird. Wenn die Suppe fertiggekocht ist, bekommen die Mitarbeiter diese schon noch rechtzeitig serviert. Falsch! Besser ist es, alle einzubeziehen und Veränderungen von Anfang an in die bestehende Welt zu integrieren.

Sie sehen, es gibt durchaus etliche Ansatzpunkte, dass große Unternehmen in einer Welt, die durch Disruptionen geprägt ist, durchaus ihren Platz im Markt behalten können. Sie möchten mehr dazu erfahren? Dann sprechen Sie mich an.