Ist es an der Zeit, die Rolle der Führungskraft neu zu definieren?
Vom Homeoffice oder neu zu erlernenden Fähigkeiten über sich ständig verändernde Prozesse bis hin zur Digitalisierung – die Liste radikaler Veränderungen im Job einer Führungskraft wird zunehmend länger, und das zum Teil in rasender Geschwindigkeit. Und obwohl Führungskräfte der Kern einer Organisation sind, fällt es immer mehr Menschen in ebendieser Position schwer, sich den aktuellen Gegebenheiten sowie ständigen Veränderungen anzupassen.
Inspiriert von dem jüngst veröffentlichten Artikel „Manager können nicht alles machen“ im Harvard Business manager, möchte auch ich meine Gedanken zur veränderten Rolle von Führungskräften mit Ihnen teilen. Die damalige Arbeitswelt war geprägt von dem Machtverhältnis zwischen Geschäftsführenden und ihren Mitarbeitenden, das lediglich die Mitarbeitenden für den Erfolg eines Unternehmens verantwortlich machte. Doch aufgrund der vier großen Veränderungs- und Entwicklungswellen innerhalb der Arbeitswelt, hat sich das Blatt mittlerweile gewendet. Das Process Reengeneering, die Digitalisierung, Agilität sowie die damit verbundenen Prozessveränderungen und nicht zuletzt die Corona-Pandemie haben die Rolle von Geschäftsführenden oder Manager:innen umgekrempelt. Sie stehen nunmehr in der alleinigen Verantwortung, das Unternehmen erfolgreich zu machen. Jedoch sind die damit verbundenen Fähigkeiten nicht für alle Führungskräfte gleichermaßen „einfach erlernbar“.
Früher war nicht alles besser – es war anders
In den vergangenen Jahrzehnten wurde die deutsche Wirtschaft in regelmäßigen Abständen von Veränderungswellen und innovativen Entwicklungen überflutet. Auch ich habe jede einzelne Welle sowie alle mit ihnen einhergehenden Veränderungen erfahren und durchlebt. Gegen Ende der neunziger Jahre stieg ich in die Arbeitswelt ein und machte meine ersten beruflichen Erfahrungen mit den damaligen Prozessen, Rollenverteilungen, Generationen und Hierarchieebenen. Zu jener Zeit war es die Aufgabe von Führungskräften oder Manager:innen, die Hierarchieebenen flacher zu gestalten und Positionen zu verringern. Gleichzeitig hatten sie viele verschiedene Mitarbeitende unter sich, um die es sich zu kümmern galt. Doch in erster Linie waren sie für das operative Tagesgeschäft zuständig und dafür verantwortlich, dass dort alles reibungslos funktionierte. Mein Einstieg bei der Deutschen Bahn im Jahr 2007 verlief ähnlich. Nachdem ich als Abteilungsleiterin zunächst für rund 20 Mitarbeitende verantwortlich war, verdoppelte sich diese Anzahl innerhalb kürzester Zeit und trotzdem mussten die Projekte sowie das damit einhergehende Tagesgeschäft reibungslos weiterlaufen. Ich lernte viele verschiedene Abteilungsleiter:innen neben mir kennen, ältere Generationen wie auch Menschen aus meiner Generation – und sie alle identifizierten sich teilweise bis heute mit dieser Rolle.
Ist das „die perfekte Digitalisierungs-Welle“?!
Mit der Digitalisierung brach eine weitere, gigantische Welle aus. Von jetzt auf gleich mussten alle Unternehmen digitalisiert werden und mit ihnen die Arbeitsprozesse. Plötzlich war es CEO’s möglich, mit ihrer gesamten Belegschaft und jedem einzelnen Mitarbeitenden in Kontakt zu treten. Und auch wenn diese Veränderungen in der heutigen Arbeitswelt selbstverständlich und längst integriert sein sollten, brachten sie damals ein zentrales Problem mit sich: Sie sprengten sämtliche klassischen und etablierten Informationsketten. Die Kaskade, in der das obere Management ihre Informationen mit ihren Direct Reports teilte und diese mit allen weiteren involvierten Entscheider:innen, funktionierte nicht länger. Vielmehr mussten Führungskräfte wie auch Manager:innen in hohen Positionen ad hoc damit klarkommen, fortan nicht mehr jede einzelne Information kennen und weitergeben zu können. Gleichzeitig galt es für sämtliche Führungskräfte zu hinterfragen, welche neue Form der Kommunikation im Unternehmen funktionieren und umgesetzt werden kann. Auch mir stellte sich plötzlich die Frage, wie ich persönlich damit umgehen soll, wenn andere Manager:innen oder Mitarbeiter:innen unter Umständen einen Informationsvorsprung haben. Selbstverständlich handelt es sich hier um eine kleine Auswahl der zahlreichen Veränderungen, welche die Digitalisierung mit sich brachte.
Agilität schafft Innovation und Fortschritt – wenn alle hinter ihr stehen…
Das agile Manifest ist im Jahr 2001 geschrieben worden und es hat einige Zeit gebraucht, um sich in der Arbeitswelt zu etablieren. Mittlerweile ist das Thema Agilität in aller Munde, doch bis heute sind nicht alle Führungskräfte gleichermaßen bereit, die damit einhergehenden Veränderungen zu akzeptieren oder umzusetzen – und das bringt früher oder später verheerende Folgen sich. Denn aufgrund der rasant zunehmenden Entwicklungen in den vorherigen Jahren, haben sich auch die Strukturen in Unternehmen zu komplexen Sachverhalten weiterentwickelt, die von einer Führungskraft alleine nicht mehr getragen werden konnten. Agile Teams sollten die Führungsebene zukünftig in zwei unterschiedliche Positionen aufteilen, um bessere Ergebnisse erzielen zu können: Der Agile Master oder Agile Coach mit Leadership Anteil sowie der Product Owner mit Management Anteil. Die Problematik hinsichtlich der Agilität bestand demnach darin, dass eine bisher gut besetzt Position plötzlich mit einer weiteren Person geteilt werden musste – womit nicht jeder Mensch in einer Führungsposition gleichermaßen gut umgehen kann.
Agilität – und der damit verbundene Identitätsverlust
Viele Führungskräfte, die gegen Ende der neunziger Jahre Fuß in der Arbeitswelt gefasst haben, hatten neben ihren Mitarbeitenden und einem gut funktionierenden Tagesgeschäft noch weitere Herausforderungen zu bewältigen. Nachdem die Digitalisierung verschiedene neue Apps und Tools wie auch voll-digitalisierte Prozesse mit sich brachte, sorgte die Agilität im Anschluss für einen massiven Identitätsverlust – bis heute. Plötzlich sollten sämtliche Führungskräfte und Manager:innen sich zwischen zwei Aufgaben entscheiden, die sie vorab alleine übernommen haben. Bleibt ihr Status weiterhin erhalten? Verdienen sie das gleiche Geld oder müssen sie auch dieses zukünftig teilen? Wer bin ich denn jetzt eigentlich und wie sieht meine neue Rolle aus? Neben diesen Fragen bringt die agile Bewegung jedoch noch etwas ganz anderes mit sich: Sie stellt Führungskräfte vor die Aufgabe, mit einem komplett anderen Führungsstil aufzutreten, sich mit den Mitarbeitenden plötzlich ganz intensiv auseinanderzusetzen und für sie als Coach zu fungieren.
Es ist alles eine Frage der Sozialisierung
Heutzutage müssen wir uns darüber im Klarem sein, dass Veränderungen unabdingbar geworden sind – die Pandemie, fehlende Rohstoffe und der Krieg in der Ukraine sind nur einige wenige von jenen Veränderungen, die Unternehmen und Führungskräfte betreffen. Die Arbeitswelt durchläuft einen stetigen Wandel, weshalb es umso wichtiger ist sich bewusst zu machen, dass es in den jeweils verschieden sozialisierten Generationen Unterschiede gibt und immer geben wird. Sowohl die Machtverhältnisse als auch die Arbeitsprozesse haben sich geändert, Mitarbeitende stellen Bedingungen an Führungskräfte, nicht umgekehrt und klassische Führungsaufgaben werden nunmehr von unterschiedlichen Mitarbeitenden übernommen. Ein völlig neuer Kreislauf, der nur funktioniert, wenn jeder einzelne Mitarbeitende aber vor allem die oberen Führungsetagen hinter ihm stehen. Ihnen muss klar sein, dass dies ihre neue Art zu führen sein wird.
Die traditionelle Rolle einer Führungskraft ist heute quasi nicht denkbar und rückt immer weiter in den Hintergrund. Und genau aus diesem Grund sind Veränderungen in Unternehmen unabdingbar – es sei denn, Sie wollen immer tiefer in Ihren Geldbeutel greifen und fatale Schäden in Kauf nehmen...
Wie steht es um Ihr Unternehmen und Ihre Führungsposition? Stehen alle Mitarbeitenden und vor allem auch Sie gleichermaßen hinter den agilen Arbeitsprozessen? Oder fehlt es Ihnen lediglich an handfesten, erfahrungsbasierten Informationen? Wenn Sie sich beim Lesen dieser Fragen angesprochen fühlen oder bemerken, dass die Agilität Ihr Unternehmen eher runterzieht als erfolgreich macht, melden Sie sich gerne bei mir – ich habe so einige Ideen, wie sich Agilität auch in Ihrem Unternehmen zielführend umsetzen lässt! Ich freue mich auf unseren Austausch und Ihr Anliegen.