Wie Transformation garantiert Murks wird

Kürzlich sprach ich mit einem Kunden und der erzählte mir, dass der Vorstand jetzt eine agile Transformation ins Leben rufen wolle, zumindest für einen speziellen Bereich und die Story, mit der der Vorstand hausieren ging – zumindest kam das so bei den Mitarbeitenden an – wäre: „Agilität ist jetzt Markt-Standard. Dann müssen wir das halt auch machen.“ Prima. Motivation läuft anders, schätze ich mal ganz vorsichtig. Ziemlich genau zeitgleich zu diesem Gespräch las ich mal wieder von Paul Watzlawick das Buch „Anleitung zum Unglücklichsein“. Und plötzlich kam mir die Idee zu diesem Blog. Mal aus meiner jahrelangen Erfahrung zu beschreiben, was man tun muss, damit eine Transformation oder Change auf jeden Fall schief geht

Shutterstock.com | s.sermram

  1. Eine nicht mitreißende Story.
    Also, wenn Sie sagen, „das ist Markt-Standard und deswegen müssen wir das jetzt auch machen“, dann wird das keinen Menschen hinter dem Ofen hervorholen und auch keinen inspirieren, sich einzubringen und zusätzlich zu dem Daily Business auch noch einen Change durchzuführen. Change ist immer etwas, was zusätzlich kommt. Es ist immer anstrengend und es braucht immer zusätzliche Energie. Und wenn ich als Führungskraft keine überzeugenden Argumente habe, dann macht auch keiner so wirklich mit. Klassische Null-Bock-Stimmung. An Ineffizienz kaum zu überbieten.
     
  2. Bloß nicht andere Leute mit einbeziehen.
    Um eine Transformation garantiert schief gehen zu lassen, stellen Sie am besten ein paar Topthemen zusammen, holen sich dann Ihre Topleute, die werden dann eingeschlossen und machen dann mal so eben dieses Transformationsprogramm mit Change-Plan im stillen Kämmerlein. Wenn sie fertig sind, kommen sie raus, präsentieren ihre Ergebnisse und enden mit den Worten: „So, setzt jetzt mal um.“
     
  3. Wegrationalisierte Arbeitsplätze? Wie geht es den Menschen? Egal.
    Im Laufe einer Umorganisation oder agilen Transformation kann es immer mal wieder vorkommen, dass es Posten gibt, die wegfallen. Aber während des Prozesses wurde ja Führung neu definiert, deswegen kann ich als Vorstand mit gutem Gewissen meine Führungskräfte der Situation überlassen. Ich muss mir keine Gedanken darüber machen, was ich denn jetzt mit den „übrig“ gebliebenen Mitarbeitenden mache. Ich könnte vielleicht irgendwelche guten Angebote machen. Ach was, ich überlasse das einfach denen. Ich adressiere auch nicht die Ängste, die sie vielleicht haben oder gebe schöne, spannende neue Aufgabenbeschreibungen. Ich mache mir auch keine Gedanken darüber, wie das sich gegebenenfalls auch inhaltlich auswirkt. Und ich mache mir auch keine Gedanken darüber, was der möglicherweise Statusverlust mit den Leuten macht. Geht mich ja auch nichts an.
     
  4. Lest mal das Buch, dann wisst Ihr alles.
    Zum Thema Transformation, Agilität, Change etc. gibt es Literaturlisten, die so lange sind, dass man schnell den Überblick verliert. Aber egal. Literaturliste in die Hand drücken: „Da, lest mal, dann wisst Ihr, wie was gemacht werden soll.“ Ich Chef kann denen auch eine Schulung oder Infoveranstaltung anbieten und gehe im Ergebnis davon aus, dass dann alle wissen, wie das ab jetzt läuft und das Zusammenspiel funktioniert. Das heißt, ich mache mir auch da keine Gedanken und gebe meinem Team keinen Raum zum Lernen. Das ist so ähnlich wie in der Schule, das kennt bestimmt auch jeder. Frontalunterricht à la friss oder stirb. Wer inhaltlich nicht mit kam, hatte verloren und war eh zu doof dazu.
     
  5. Am besten alles auf einmal.
    Ich Chef habe entschieden, wir machen direkt alles auf einmal. Wir hatten ja diese großartige Gruppe, die ausbaldowert hat, wie das jetzt zu laufen hat. Meine Aufgabe ist lediglich ein Big Bang, bloß nicht inkrementell agieren, bloß nicht mal üben und Erfahrungen sammeln. Also Big Bang ist das, was man definitiv machen muss, weil dann verwirre ich garantiert eine komplette Organisationseinheit oder sogar eine komplette Organisation. Aber die hatten ja die Literaturliste und das Buch gelesen. Aber es kommt noch besser …
     
  6. Wähle einen möglichst nahen Zeitpunkt, zu dem „das alles rum ist“.
    Es wird ein Zeitpunkt festgelegt, in dem die Umorganisation oder Neuorganisation rum ist, so wie ein Braten irgendwann durch ist. Die agile Transformation sitzt am 31.12. Sehr enge Zeitfenster verhindern, dass der Schlendrian Einzug erhält. Mit einem engen Zeitfenster ist auch der Big Bang schnell rum. Die Mitarbeitenden haben ja gelesen und im Internet geschaut, wie die Prozesse zu laufen haben. Dann wissen sie ja auch, was sie zu tun haben. Und am 31.12. muss „das dann rum sein“, Zeit wird schon reichen.
     
  7. Lass ein Beraterteam deine Transformation machen.
    Seine Topleute einzusperren, die was zusammenstellen und dann den Mitarbeitenden vorsetzen ist schon eine geniale Idee. Aber der wirkliche Clou ist es, komplett auf Menschen aus den eigenen Reihen zu verzichten, sondern ein Beratungsunternehmen zu engagieren. Die haben Agilitätspläne und sowas in der Schublade liegen, die wissen, wie was geht. Die bauen den Prozess, schließlich haben die ja mehr Ahnung von dem ganzen System und wie das zu laufen hat, als die eigene Organisation und vor allen Dingen die eigenen Mitarbeitenden. Wenn die das Prozess-Modell gebaut haben, übergeben sie es. Und wenn die Organisation die Implementierung nicht schafft und nicht versteht und es nicht richtig funktioniert, sind natürlich immer die Mitarbeitenden schuld, weil die Organisation weiß ja, wie es geht.
     
  8. Ganz viele agile Buzzwords verwenden.
    Es ist unglaublich schick, viele agile Buzzwords zu benutzen, ohne zu definieren, was das denn eigentlich heißt oder wie das in der eigenen Organisation zu leben ist. Je mehr agile Buzzwords man benutzt, desto besser, weil dann gibt man ja auch den Anschein, dass man weiß, wovon man redet und dann wird das alles schon gut.

    Soweit meine Gedanken zu diesem Thema, angeregt durch die Anekdote „Markt-Standard“ und der Lektüre von Watzlawick. Wie denken Sie über das Thema? Schreiben Sie mich an und lassen Sie uns in den Austausch kommen. Und bei Bedarf zeige ich gerne, wie Agilität ganz sicher richtig gut klappen kann.